23.10.2015 Judy Bailey und Patrick Depuhl

Fotos: Thomas Ziegert


Achimer Kurier | 26.10.2015


Judy Bailey und Patrick Depuhl beeindrucken mit vielseitigem Lese-Lieder-Abend / Kosmopolitische Weisheit 

Von Schafen, Mangos und Musik

David Rosengart 26.10.2015 

Die einen sind beeindruckt von Äpfeln, Erdbeeren und Kirschen. Die anderen bewundern die Vielseitigkeit an Mangos, Bananen und Rum. Der Facettenreichtum der Kulturen und des Klimas lässt sich bestens am Beispiel des heimischen Gartens festmachen. „Alles eine Sache der Perspektive“, betonte die Musikerin und Kosmopolitin Judy Bailey. Zusammen mit Patrick Depuhl, Ehemann und Musikerkollege zugleich, gastierte das Allroundtalent am Freitagabend in der St.-Petri-Kirche in Oyten auf Einladung des Domino-Arbeitskreises.


Die Vielzahl der Instrumente, asiatische und afrikanische Symbolik – bereits vor Beginn des Konzerts wurde eines deutlich: Der musikalische Abend wird ganz im Zeichen der kulturellen Vielfalt stehen. Mit ihrer warmen, berührenden und kraftvollen Stimme nahm Sängerin Judy Bailey binnen weniger Verse die zahlreichen Besucher für sich ein. Doch das äußerst stimmige Konzept umfasste noch vielmehr: Patrick Depuhl gab zwischen den Songs literarische Einblicke in das Leben der Weltbürgerin, die in Barbados aufwuchs. Mit tiefer und einnehmender Stimme gab er seiner Ehefrau wortwörtlich eine Stimme. „Manchmal ist es ja vielleicht sogar besser, wenn wir Männer sagen, was unsere Frauen meinen“, spekulierte Depuhl.

Kluge und unterhaltsame Geschichten waren aus dem von Vielfalt geprägten Leben von Judy Bailey zu hören: Sie studierte in London, musizierte auf der ganzen Welt, fand in Deutschland ihre große Liebe – eben diesen Patrick Depuhl, mit dem sie gemeinsam am Freitag musizierte. Dabei ist das erfolgreiche Duo das große Publikum gewohnt. Ein Beispiel: Im Sommer 2013 sang Judy beim Weltjugendtag in Rio live vor über drei Millionen Menschen aus aller Welt. Auch Papst Franziskus gehörte zu den Besuchern. In der St.-Petri-Kirche waren es zwar nicht ganz so viele, aber dennoch war das Kirchenschiff gut gefüllt und das Publikum nachhaltig begeistert.


Doch auch das intime Musizieren beherrschten die Weltmusiker auf beeindruckende Weise. Auf Anhieb stimmte das Publikum mit ein. Das zeigte sich immer wieder am anhaltenden Applaus. „Kommt einfach auf eine Reise mit“, formulierte es Judy Bailey zu Beginn des Abends. Und diese Einladung nahmen sämtliche Konzertgäste gern an. Draußen peitschte der Herbstwind, drinnen waren die Besucher gedanklich längst an den Stränden der Karibik. Die authentischen Geschichten aus der Vita der Musikerin führten aber auch in die Wirren der menschlichen Psyche, in Mathekurse an der Universität oder auf die Konzertbühnen dieser Welt.


Die Anekdoten waren treffsicher ohne künstlich zu wirken. Immer wieder stellte das Duo eine Losung heraus: Es kommt auf die Perspektive an – und diese ist jederzeit veränderbar: Auf Barbados kann das ganze Jahr über im warmen Meerwasser geplanscht werden. Kein Wunder, dass die Schafe da keinen wallenden Wollmantel anlegen. So sehen sie für den durchschnittlichen Europäer aus wie Ziegen. Alles eine Frage der Perspektive eben. Mit ebenso einfachen, unterhaltsamen und klugen Weisheiten gaben die Kunstschaffenden Einblicke in die Denke eines Weltbürgers.


Achimer Kreiszeitung | 26.10.15


Bailey und Depuhl berühren mit ihrem Konzert in St. Petri das Publikum

Lustige Geschichten wechseln mit nachdenklichen Texten

Oyten - Von Bernd Hägermann. Wenn das Leben tatsächlich die besten Geschichten und Lieder schreibt, dann braucht es dafür Erzähler und Musiker, die sie zu interpretieren wissen. Judy Bailey und ihr Mann Patrick Depuhl gehören zu dieser Spezies. Deshalb waren sie am Freitagabend für ein Konzert nach Oyten in die St.-Petri-Kirche gekommen.


Ermöglicht hatte das Konzert das Team Domino, ein Arbeitskreis der evangelischen Kirchengemeinde, deren Mitgliedern es häufig gelingt, fernab seichter Klanggebiete in tieferen Gründen zu suchen und dort musikalische Kostbarkeiten zu entdecken. Mit der Freude am Experiment haben sich die Domino-Konzerte einen guten Ruf erworben, der durch die Resonanz des Publikums regelmäßig gefestigt wird.

Judy Bailey und Patrick Depuhl sind seit 18 Jahren ein Ehepaar. Kennengelernt haben sie sich auf einer Musikmesse. Er hatte mit ihr ein Interview zu führen. Dabei hat es gefunkt. Seit langem geht das Paar gemeinsam auf Tour und tritt bei diversen Veranstaltungen wie zum Beispiel Kirchentagen auf. Häufig mit großer Band, gerne als Duo. Als solches gelang ihnen in Oyten ein Abend, bei dem die Lebensgeschichte von Judy Bailey im Mittelpunkt stand, aber ihre enge Verbindung zu Gott immer gegenwärtig war.

Nichts daran wirkte peinlich oder aufgesetzt. Vielmehr war es ein fröhliches, beinahe ausgelassenes Konzert, bei dem die beiden Künstler schon mal gemeinsam mit ihren Zuhörern im Stile von Fangesängen Lieder anstimmten oder überschwänglich die Heimat des jeweils anderen lobten.


Bailey, in London geboren, lebte lange auf Barbados. Dort gibt es Mangos, Bananen, jede Menge Zuckerrohr, kaum Analphabeten („In dieser Statistik belegt Barbados weltweit den vierten Platz. Deutschland ist dreizehn Plätze dahinter“) sowie eine gleichbleibende Luft- und Wassertemperatur von 26 Grad. Auf Barbados ist Wasser immer in der Nähe und Baden ganzjährig möglich.


Patrick Depuhl ist davon seit seinem ersten Besuch auf Barbados, als er mit Judys Vater Luther nächtens Cola-Rum trank und daran kaum mehr eine Erinnerung hat, sichtlich beeindruckt. Judy Bailey hingegen ist gebannt von den Erdbeeren aus dem Garten von Oma Depuhl („Wow!“), von Gepäckwagen, die auf Bremse eingestellt sind und von Menschen, die mitternachts bei Rot an der Ampel stehen bleiben, obwohl kilometerweit kein Auto zu sehen ist.


Doch es gab nicht nur lustige Geschichten und ansteckende Lieder, sondern auch nachdenkliche Momente. Bailey und Depuhl, der die Lebensgeschichte seiner Frau vortrug, fanden eine gute Balance zwischen den Höhen und Tiefen des Lebens. Als Jugendliche und junge Frau litt Judy Bailey an Bulimie. Immer schon fühlte sie sich „zu rund“. Das Erbrechen wurde ihr zur Gewohnheit. Die Krankheit hatte Bailey im Griff: „Es war lange ein gutes Gefühl, sich nach einer reichlichen Mahlzeit wieder leicht zu fühlen.“ Doch das trügerische Gefühl wich allmählich der Frage: „Was tue ich hier eigentlich?“


Gesund wurde sie wieder durch ihren Glauben, durch die Kraft der Musik und durch die Liebe ihres Mannes: „Es gab Zeiten, da habe ich mir die Seele aus dem Leib gesungen.“ Judy Bailey mag diese deutsche Redewendung. In ihrem Fall steht sie für den Aufbruch zu neuen Lebensufern und den Mut zum Wagnis.

Sehr viel Beifall für ein Konzert mit rezitatorischen Einschüben, das gleichermaßen anrührte, begeisterte, bei allen Zuhörern die Stimmung hob und dabei immer hochmusikalisch und weltoffen blieb.